Queen Victoria: Die unbeugsame Königin – Eine Biografie
Urbach, Karina, C.H.
Beck 2018, 284 Seiten
03.04.19
Die am 24. Mai 1819 als einzige Tochter von Victoire von Sachsen-Coburg-Saalfeld und Edward Augustus, Duke von Kent und Strathearn geborene und nach ihrem Paten Zar Alexander I. benannte Alexandria Victoria bezeichnete rückblickend ihre Kindheit als traumatisch.
Nach dem frühen Tod ihres unsteten Vaters, sah sich Victoria einer vom Leben überforderten Mutter und dem Nachlassverwalter ihres Vaters, Sir John Conroy, ausgesetzt. Dieser wurde der Vertraute ihrer Mutter und versuchte mit Hilfe des sogenannten „Kensington Systems“, Einfluss auf die zukünftige Thronfolgerin auszuüben.
Mit Hilfe ihrer Erzieherin Baronin Louise Lehzen widersetzte sich die Prinzessin, was zu einem jahrelangen Bruch mit ihrer Mutter führte. Auch König William IV. half Victoria und verstarb jedoch einen Monat nach ihrem 18. Geburtstag. Somit stand ihrer Thronbesteigung am 20. Juni 1837 nichts mehr im Weg.
Die junge Königin trat ein schweres Erbe an. Während der politisch turbulenten Zeit hatte die Beliebtheit der Monarchie ihren Tiefpunkt, hervorgerufen durch ihre Vorgänger, erreicht. Und so scheint es auch nicht überraschend, dass man Victoria nicht zugetraut hat, ...“eine erfolgreiche Königin zu werden, geschweige denn, ein ganzes Zeitalter zu prägen“.
Aber auch die zunehmende Industrialisierung und der Bevölkerungsanstieg mit dem damit verbundenen Kampf gegen Armut und Wohnungsnot waren große Herausforderungen. Während ihrer 63jährigen Regentschaft überlebte die Königin noch sehr viel mehr politische Krisen, persönliche Widrigkeiten und diverse Premierminister wie Melbourne Peel, Disraeli oder Gladstone. Ihre Popularität war permanenten Schwankungen unterworfen. Doch die körperlich kleine Frau bewies immer wieder, dass sie eine große globale Herrscherin war, die strenge moralische Maßstäbe setzte.
Die hohe Kunst der dynastischen Diplomatie beherrschte Victoria aufs Trefflichste und wurde durch die Einheirat ihrer Kinder, Enkel und Urenkel zur „Großmutter“ Europas.
Viele Ratgeber und väterliche Freunde standen ihr zur Seite, doch der wichtigste Mann in Victorias Leben war ihr am 26. August 1819 geborener Cousin und Ehemann Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, der ab 1857 den Titel Prinzgemahl trug. Im Alter von 17 Jahren traf sie ihn auf ihrer Geburtstagsparty und machte ihm 4 Jahre später – sie war bereits Königin – einen Antrag. Die beiden heirateten 1840.
Victoria, vaterlos aufgewachsen, und Albert, der ohne Mutter groß wurde, ergänzten sich in vielerlei Hinsicht. Ihre Hochzeit war eine für diese Zeit an europäischen Fürstenhöfen selten vorkommende Liebesheirat und die Hochzeitsnacht ein voller Erfolg, die durch die Schwangerschaft mit ihrer ersten Tochter Victoria gekrönt wurde. Und auch wenn ihre Ehe nicht immer unkompliziert verlief, folgten acht weitere Kinder, mit denen sie konsequent deutsch sprach.
Für Victoria waren die Schwangerschaften körperlich und seelisch eine große Belastung. Sie mochte keine kleinen Kinder, hielt nichts vom Stillen und bevorzugte eindeutig die Attraktiven unter ihnen. Vor allem hielten sie die Kinder davon ab, Zeit mit ihrem Mann zu verbringen und zum Regieren kam sie auch nicht. Albert hatte in dieser Zeit zwei wichtige Aufgaben: er stand ihr emotional zur Seite und übernahm viele ihrer offiziellen Aufgaben. Die beiden waren ein gutes Team, das 21 gemeinsame Jahre als heimliche Doppelspitze agierte.
Albert war ein Familienmensch mit einer großen Begabung, die königliche Familie medienwirksam zu inszenieren. Dazu gehörte es, im wahrsten Sinne des Wortes, die richtigen Bilder unters Volk zu bringen, ebenso wie das Reiseprogramm des Königspaars und die Wohltätigkeitsarbeit ganz nach dem Prinzip „Tu Gutes und sprich darüber“. Immer wieder versuchten er und Victoria auch Einfluss auf die Politik zu nehmen und nicht nur „königliches Ornament“ zu sein während sie nach außen hin Parteilosigkeit demonstrierten, die auch heute noch die Popularität des Königshauses ausmacht.
Nachdem Albert am 14. Dezember 1861 an Typhus verstarb, fiel Victoria in schwere Depressionen – ihre Trauer hielt 15 Jahre an. Zeit ihres Lebens trug sie tiefschwarze Kleidung und eine schlichte weiße Haube – ihre Krone setze sie nie wieder auf. In ihrer Trauer schrieb sie fast fanatisch Tagebuch, Briefe und Memoranden und korrespondierte regelmäßig mit ihren Kindern.
Ab dem 1. Mai 1876 trug sie dank der Bemühungen ihres Premiers Disraeli als erste britische Monarchin zusätzlich den Titel „Kaiserin von Indien“ und lernte daraufhin den indischen Diener Hafiz Abdul Karim, auch der „Munshi“ genannt, kennen. Nachdem John Brown 1883 gestorben war, wurde der Inder der neue königliche Favorit. Ihr vertrauensvolles Verhältnis stieß bei ihrer Familie und den Beratern nicht auf Begeisterung und doch blieb er bis zu Victorias Tod am 22. Januar 1901 an ihrer Seite.
Gemeinsam mit der Autorin begleitet der Lesende Victoria auf ihrem Lebensweg und bemerkt sehr bald, dass sie nicht dem Bild der „unschuldigen“ Königin entspricht. Schon früh in ihrem Leben beweist sie, dass sie unbeugsam ist und ihren Namen „Victoria –die Siegende“ zu Recht trägt. Im Laufe ihres Lebens erlebt man die Königin in unterschiedlichen Rollen: als junge Monarchin, als neunfache Mutter, als Ehefrau an Alberts Seite und schließlich als Witwe von Windsor.
Im Alter entwickelte sie mehr Gelassenheit und war eine liebevolle Großmutter, die sich auch mit den kleinsten Enkeln und Urenkeln beschäftigte. Doch es gab eine Ausnahme: zu ihrem Enkel Kaiser Wilhelm II, dem letzten deutschen König, pflegte Victoria ein eher distanziertes Verhältnis – so nahm er auch nicht an ihrem diamantenen Thronjubiläum teil, das sie im Jahr 1897 feierte. Zu diesem Zeitpunkt umfasste das Britische Empire ein Drittel der Welt und ein Viertel ihrer Bewohner.
Mit ihrem Tod am 22. Januar 1901 endete die Herrschaft des Hauses Hannovers, die mit ihrem ältesten Sohn und Thronfolger Eduard VII. auf das Haus Sachsen-Coburg und Gotha überging, das 1917 schließlich in Haus Windsor unbenannt wurde.
Abschließende Beurteilung:
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